Beispiele
Sei es beim Bau von Infrastruktur-Projekten, beim Artenschutz oder bei der Zulassung von Pestiziden: Das Verbandsbeschwerderecht trägt dazu bei, bei erheblichen Eingriffen in Natur und Umwelt rechtskonfomre Lösungen zu finden. Indem die Natur eine Stimme erhält.
Erneuerbare Energie
Ausbau Pumpspeicherwerk Linth-Limmern
Mit dem Projekt Linthal 2015 wurde das bestehende Werk aus den 1960er-Jahren mit einem Pumpspeicherkraftwerk ergänzt. Damit hat sich die Leistung der Kraftwerke Linth-Limmern von zuvor rund 520 Megawatt auf 1520 Megawatt erhöht. Die Naturschutzorganisationen waren bereits früh involviert, um Fachfragen im Bereich Naturschutz zu klären. Nach Fertigstellung des Projekts wurden viele dazu notwendige Installationen wie das Containerdorf oder die Transportseilbahnen zurückgebaut und die für den Bau notwendigen Flächen renaturiert.
Pumpspeicherkraftwerk Nant de Drance
Das Pumpspeicherkraftwerk Nant de Drance leistet einen wichtigen Beitrag zur Stromversorgung im Winter und gehört zu den eindrücklichsten Pumpspeicherwerken der Schweiz. Seit Projektbeginn arbeiten Naturschutzorganisationen konstruktiv mit den Projektträgern zusammen, um Feuchtbiotope zu renaturieren und Wildtierkorridore zu schaffen. Nant de Drance zeigt, dass umweltverträgliche grosse Wasserkraftwerke umsetzbar sind. Die Gesetze wurden eingehalten, eine Beschwerde war nicht nötig.
Kraftwerk Erstfeldertal
Die Ersatzmassnahmen des geplanten Kraftwerks Erstfeldertal waren ungenügend, zu diesem Schluss kamen Umweltorganisationen nach sorgfältiger Prüfung. Dank einer Einsprache konnte - wie gesetzlich gefordert - eine ausreichende konkrete Ersatzmassnahme erreicht werden und wurde an der Reuss umgesetzt. Diese Renaturierung erbringt einen grossen ökologischen Nutzen und kompensiert den Schaden an der Natur, welcher durch das neue Kraftwerk entstanden ist. Der stark begradigte Fluss erhält ein Stück seines früheren Lebensraums zurück. Es profitieren die Natur und der Mensch durch ein vermindertes Hochwasserrisiko. Das Kraftwerk konnte bereits früher gebaut werden und produziert seit Mai 2022 Strom für 7'200 Haushalte.
Neu-Konzessionierung der Muota-Kraftwerke
Bei den Muota-Kraftwerken stellte sich die Frage, wie bei den Ersatzmassnahmen die bestehenden Gesetze eingehalten werden können. Die Kraftwerke setzten sich mit den Naturschutzorganisationen in Verbindung. Daraus resultierte ein gemeinsamer Antrag an die Behörden für eine echte Aufwertung dieses wertvollen Flusses. Naturwerte schützen und aufwerten sowie die Energieversorgung sichern: Das Beispiel Muota-Kraftwerke zeigt, dass Energiewende und der Schutz der Natur Hand in Hand gehen.
Pestizide
Chlorothalonil
Chlorothalonil ist ein Pestizid-Wirkstoff, der als Fungizid seit den Siebzigerjahren breitflächig in der Landwirtschaft eingesetzt wurde. 2019 hat das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) entschieden, die Zulassung für das Fungizid Chlorothalonil mit sofortiger Wirkung zu entziehen. Dieser Zulassungsentzug erfolgte nach der gezielten Überprüfung des Wirkstoffes. Chlorothalonil war als wahrscheinlich krebserregend eingestuft worden. Weiter ist Chlorothalonil auch sehr giftig für Amphibien und Wasserorganismen und sollte allein aus diesem Grund aus dem Verkehr gezogen werden. Gegen diesen Widerruf haben Herstellerfirmen Beschwerde gegen das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) – die neue Zulassungsstelle des Bundes eingereicht. Diese Beschwerde ist hängig. Die Naturschutzorganisationen stehen in diesem Fall als Beschwerdegegner an der Seite des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV). Fakt ist: Bis heute trinken rund 1 Million Haushalte mit Chlorothalonil belastetes Trinkwasser, das nicht den gesetzlich festgelegten Grenzwerten entspricht.
S-Metolachlor
Das Herbizid S-Metolachlor wurde in den 1970er Jahren entwickelt und wird seither in hohen Mengen gegen Unkräuter, insbesondere im Maisanbau für Tierfutter, eingesetzt. Auch die Metaboliten von S-Metolachlor gelangen leicht ins Grund- und Trinkwasser. Im März 2019 führte das BLW eine Überprüfung der Pestizide mit S-Metolachlor durch. Schon damals verlangten Naturschutzorganisationen ein Verbot des Wirkstoffs auf Grund der hohen Toxizität für Vögel, Säugetiere, Wasserorganismen, Nutzinsekten und Regenwürmer. Die Zulassungsbehörde wies diese Einwendungen jedoch ab.
Unterdessen wurde festgestellt, dass S-Metolachlor möglicherweise Krebs verursachen kann, ein hohes Risiko für Säugetiere (Reproduktionstoxizität) sowie Wasserorganismen darstellt und die Metaboliten im Grund- und Trinkwasser schädlich für das Genom sind. Darauf verweigerte sie eine Neuzulassung. Mitte 2024 widerrief auch die Schweizer Zulassungsbehörde die Bewilligungen.
Azoxystrobin / Cyproconazol
Mitte 2020 wurde Beschwerde erhoben gegen die Bewilligung eines Pestizids mit den beiden Fungizid-Wirkstoffen Azoxystrobin und Cyproconazol. Azoxystrobin ist insbesondere enorm giftig für Amphibien; Cyproconazol ist stark reproduktionstoxisch für Wirbeltiere einschliesslich des Menschen. Die Zulassungsbehörde verteidigte ihren Entscheid hartnäckig. 2021 wurde Cyproconazol jedoch in der EU verboten. Darauf widerrief auch die Schweizer Zulassungsbehörde die Bewilligung für das Pestizid.
Artenschutz
Wildtierkorridor
Die Verbindungsstrasse zwischen den Gemeinden Lachen, Wangen und Tuggen im Kanton Schwyz sollte verbreitert werden. Das Strassenprojekt beinhaltete den Bau einer neuen Stützmauer, die mitten in einem Wildtierkorridor von überregionaler Bedeutung liegt. Dies hätte zur Folge, dass sich Wildtiere nicht mehr über die gleiche Distanz hinweg fortbewegen könnten. Das hätte dem geltenden Recht widersprochen. Eine Beschwerde führte dazu, dass die nötigen Ausgleichsmassnahmen ergriffen wurden, insbesondere für Wildtierkorridore und kleine Gewässer, die wichtige Biotope darstellen.
Geschützte Arten
Geschützte Säugetiere und Vögel dürfen nicht gejagt werden. Sollten sie grossen Schaden verursachen, können Einzeltiere erlegt werden oder ist eine reaktive Bestandsregulierung möglich. In den Jahren 2007 bis 2014 liess der Kanton Bern ca. 400 Gänsesäger und über 300 Graureiher töten, ohne die erforderlichen Nachweise von Schäden vorzuweisen und ohne die nötige Bewilligung erteilt zu haben. Im entsprechenden Verbandsbeschwerdefall stoppte das Bundesgericht diese Praxis. Wie es dem Jagdgesetz entspricht, werden allfällige Abschüsse geschützter Arten deshalb heute vorgängig geprüft, die Bevölkerung wird informiert und bei besonders heiklen Abschüssen gibt es die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung.
Naturschutz
Moorlandschaft Wetzikon/Hinwil
Die Moore der Schweiz sind seit 1987 geschützt. Der Bundesrat legt die Moorlandschaften von nationaler Bedeutung fest. Im Fall der Moorlandschaft Wetzikon/Hinwil ZH verstiess der Bundesrat gegen die erarbeiteten fachlichen Grundlagen, um den Bau einer Autobahn zu ermöglichen. Das Bundesgericht entschied nach einer Verbandsbeschwerde, dass das Vorgehen das geltende Recht verletzte. Unterdessen hat der Bundesrat die Moorlandschaft rechtskonform abgegrenzt, und der Kanton arbeitet an einer auch der Bevölkerung dienenden Tunnellösung für die Autobahn.
Das Moor von Rothenthurm
Das Moor von Rothenthurm SZ ist das wertvollste der Schweiz. Es weist grosse Moorflächen mit störungsempfindlichen Vogelarten auf. Zugleich wird die umliegende Landschaft von Menschen für die ruhige Erholung genutzt. Der Regierungsrat bewilligte die Umnutzung einer Wiese für einen Modellflugplatz in dieser Moorlandschaft. Dank des Verbandsbeschwerderechts konnte das Bundesgericht diesen Entscheid überprüfen. Es kam zum Schluss, dass die Bewilligung gegen das geltende Recht verstiess. Damit wurden die Natur, die Tiere im Moor sowie die Landschaft als Erholungsort gesichert.